Am Anfang des 21. Jahrhunderts

Donnerstag, Juni 14, 2007

US-Politik förderte "religiöses Korsett" im Irak

NTV, 13.6.07:

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Dass es im Irak überhaupt zu einer Gruppenbildung entlang konfessioneller Trennlinien gekommen ist, lastet Henner Fürtig vom Institut für Nahost-Studien in Hamburg vor allem der Politik der USA seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 an. Die Entstehung nach Religion und Volksgruppe getrennter Wohnviertel in Bagdad etwa sei früher undenkbar gewesen: "Unter der Baath-Partei war das eine weitgehend säkulare Gesellschaftsstruktur." Die Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten sowie Arabern und Kurden seien im Zuge der Herausbildung eines gemeinsamen Nationalgefühls im modernen Irak zwar nicht verschwunden, aber längst von Gegensätzen etwa zwischen Arm und Reich oder Stadt und Land überlagert gewesen.

"Der grundlegende Fehler war, dass die USA nach dem Sturz Saddams nicht bei diesen neuen Identitäten angesetzt haben", sagt Fürtig. So sei bei der Schaffung der Übergangsregierung im Frühjahr 2003 reflexartig zu einem ethnischen und religiösen Proporzsystem gegriffen worden. "Das hat die Menschen quasi in ein religiöses und ethnisches Korsett gezwungen." Als Folge würden bis heute praktisch alle politischen Anliegen in ein entsprechendes Vokabular verpackt.

"Wenn die USA wirklich demokratisieren wollten, hätten sie im Grunde bei den Mittelschichten ansetzen müssen", sagt Fürtig. Dabei habe es diese im Irak mehr als in den meisten anderen Ländern der Region gegeben. "Man hat die scheinbar leichteste Lösung gewählt, die aber langfristig die größten Probleme aufwirft", resümiert der Wissenschaftler.
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