Reinhard Loske und die Überwindung des Konsumismus
Reinhard Loske von den Grünen hat in der heutigen taz (S. 12) einen Artikel veröffentlicht, in dem er fordert, "den Konsumismus zu überlisten", um endlich einen neuen ökologisch und sozial gerechten Lebensstil zu entwickeln:
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Ob die bloßen Zahlen der Klimaforscher, und seien sie noch so erschreckend, die Menschheit zur Umkehr bewegen, ist freilich eine offene Frage. Zweifel sind angebracht. Fjodor Dostojewski hat die Schwäche rein quantitativer Ziele in seinen "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" bereits 1864 wunderbar aufgespießt. "Was ist denn das für ein Vergnügen, wenn alles schon auf der Tabelle ausgerechnet ist?", lässt er dort seinen Protagonisten sagen. Der nämlich zweifelt am Regiment der Wissenschaft und sieht eine furchtbar langweilige, dafür aber ungemein vernünftige Gesellschaft heraufziehen, keine wirklich aufregende Perspektive.
Die empirische Wissenschaft kann uns helfen, den Klimawandel zu verstehen. Sie kann uns die Leitplanken nennen, innerhalb derer wir uns zu bewegen haben, um den Absturz zu vermeiden. Aber sie kann uns keine Hinweise geben, wie wir den sozialen Prozess gestalten können, der uns vom Pfad der Selbstzerstörung abbringt und in sicheres Gelände führt. Dafür brauchen wir gesellschaftliche Fantasie, politischen Handlungswillen und echte Veränderungsbereitschaft.
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Alle Windräder, Holzpelletheizungen und Hybridautos werden uns aber nicht retten, wenn wir uns länger um die Lebensstilfrage herumdrücken. Da gibt es eine natürliche Scheu, die verständlich ist, gerade bei Politikern, die den Vorwurf der Verzichtspredigt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber der Konsumismus, also das Anhäufen von Gütern als Substitut für Sinn, ist heute der größte Feind des Klimaschutzes. Deshalb ist es eine Kulturaufgabe erster Ordnung, die Rückkehr zum menschlichen Maß zu befördern.
Ohne eine Vorstellung von nachhaltigen Lebensstilen und einer guten Gesellschaft jedenfalls läuft der Klimaschutz Gefahr, technokratisch zu werden. Dabei wird man nicht ohne weiteres an der "alten" Konsumkritik von Erich Fromm oder Rudolf Bahro ansetzen können. Der moderne Kapitalismus ist intelligent und raffiniert; seine Fantasie ist grenzenlos. So wie er Natursehnsucht in Outdoor-Kleidung und Geländewagen transformiert, so verwandelt er Konsumkritik in zerschlissene Hosen, coole T-Shirts und Buchbestseller. Den Konsumismus zu überlisten heißt Maßhalten mit Lebensfreude, Verzicht mit Genuss, weniger mit mehr, Askese mit Selbstentdeckung zu verbinden, um Mut zu machen und zur Nachahmung anzuregen. Bei der Pluralität unserer Gesellschaft wird das nicht zum Einheitslebensstil führen, sondern zu einer Vielfalt von Lebensstilen, die aber allesamt klimaverträglicher sein würden.
Freilich gilt es eine wichtige Einschränkung zu machen: Wenn Verzicht für die Reichen lediglich hieße, ihren Off-Roader in der Fastenzeit am Sonntag stehen zu lassen, während er für die Armen die Kürzung der Hartz-IV-Leistungen von 345 Euro pro Monat auf 300 Euro bedeutete, wäre ein solcher Ansatz ohne Aussicht auf breite gesellschaftliche Zustimmung. Die Chance, maßvollen Lebensstilen zum Durchbruch zu verhelfen, steigt mit der gesellschaftlichen Gerechtigkeit, national wie international. Das Grundeinkommen für jede und jeden könnte die Brücke sein, um übermäßigen Wachstumsdruck von der Gesellschaft zu nehmen. Es ist an der Zeit, die ökologische und die soziale Frage endlich zusammenzudenken.
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