Am Anfang des 21. Jahrhunderts

Donnerstag, Oktober 26, 2006

Grundeinkommen und Tätigkeit

Hannah Arendt sprach schon 1958 von dem absehbaren Ende der Arbeitsgesellschaft, da dieser zwangsläufig die Arbeit ausgehen werde (in The human condition, bzw. Vita activa). Fast 50 Jahre später können wir diesen Trend nur bestätigen - oder liegt es bloß daran, dass die Arbeit der industriellen Produktion mehr und mehr "ausgelagert" wird? Doch auch in Zeiten des Outsourcings gilt der langfristige globale Trend, dass Arbeit eher weniger wird. Dies kann wohl auch eine Verschiebung vom primären und sekundären hin zum tertiären Sektor nicht ganz auffangen.

Diese Situation kann man als Chance auffassen. Denn die Befreiung von der Arbeit gibt den Menschen endlich den notwendigen Raum für kreative, politische, geistige Tätigkeiten, zu denen ihnen vorher die Muße fehlte. Allerdings bedarf es natürlich einer materiellen Grundsicherung, die man deshalb von der Erwerbstätigkeit abkoppeln müsste. Der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens, der derzeit von Vertretern verschiedener Parteien diskutiert wird, ist darum ein richtiger Schritt.

Die enge Anbindung menschlicher Identität an die Erwerbsarbeit muss deshalb wieder erweitert werden zu dem ganzen Spektrum der menschlichen Tätigkeit - mit einer neuen Betonung der politischen und geistigen Aspekte. Davon abgesehen würde das Grundeinkommen nicht nur die Behörden in erheblichem Maße von bürokratischem Aufwand entlasten, sondern endlich auch unbezahlte Tätigkeiten wie Ehrenämter, Hausarbeit, Kinderbetreuung, soziales Engagement endlich als sozial wertvoll anerkennen.

Montag, Oktober 16, 2006

Demokratie statt Technokratie

Gestern abend in Christiansens Plauder-Runde erklärte Hans-Hermann Tiedje, Medienmanager und Berater Helmuth Kohls im Bundestags-Wahlkampf 1998, die Politiker für eindeutig unterbezahlt. Da sie die Elite des Landes darstellen (sollten), müssten sie dementsprechend Spitzengehälter à la Ackermann erhalten.

Was für ein elitäres Verständnis von Politik steckt aber hinter einer solchen Aussage? Sollen Politiker in einer Demokratie etwa eine technokratische Elite sein, höchstbezahlte Manager, die die Probleme des Unternehmens Gesellschaft in steriler Laborarbeit lösen - abseits schädlicher Einflüsse von unten? Sie wären somit doppelt getrennt von den Wählren - nicht nur durch ihre politische Macht, sondern auch in finanzieller Hinsicht. Wir würden uns nur eine neue Geld-Aristokratie züchten und einen gnadenlosen Konkurrenzkampf derer, die auch in den Club der privilegierten Entscheidungsträger aufgenommen werden wollen. Und wie sollen solche Spitzenverdiener überhaupt noch ein Gespür für die wirklichen Nöte der Menschen haben?

Die Idee von Demokratie ist doch, dass im Parlament die Interessen aller Wähler - unabhängig von Einkommen, Herkunft, Schicht etc. - vertreten werden. Demokratie geht von den Bürgern aus, d.h. der Wille zur Veränderung und Gestaltung geht von der Basis über die sozialen Bewegungen, Institutionen und Parteien ins Parlament ein. Wir brauchen also keine Schicht künstlicher Polit-Astronauten, da die Politik von uns ausgeht.

Mittwoch, Oktober 04, 2006

Küppersbusch und die Expertokratie

In der taz vom Montag antwortete Friedrich Küppersbusch auf die Frage, ob er denn überhaupt noch nachvollziehen könne, worum es bei der Gesundheitsreform geht:
Nein, und es führt mich zu der These, dass es neben dem Recht, gut regiert zu werden, ein gleichrangiges Recht gibt, Regierungshandeln und Gesetzgebung verstehen zu können. Die konkrete deutsche Sehnsucht nach Führung ist in eine eher wabernde Sehnsucht nach Expertokratie verdampft; und die Debatte um die Gesundheitsreform ist nur noch unter der Überschrift "die Eltern werden`s schon richten" psychologisch verkraftbar. Auch weil viele Journalisten mit den Regierenden gemeinsame Sachen machen und dünkelhaft alle für doof, populistisch und nicht diskursfähig halten, die nicht mehr folgen können. Das reißt dann die Marktlücke auf für die ganz üblen Vereinfacher, siehe NPD. Die Leute wählen so doof, wie sie vorher verkindert werden.
Wenn es wahr ist, dass viele Journalisten durch ihre Spezialisierung zu abgehoben sind, bzw. mit der Politik kooperieren, anstatt im Auftrag ihrer Leserschaft die Politik zu hinterfragen, dann gilt es natürlich um so mehr, die Medien kritisch zu rezipieren und selbständig nach Informationen zu suchen. Bloggen kann dabei ein Weg sein. Das muss nicht unbedingt als generelle Kritik am Journalismus verstanden werden. Demokratie und Aufklärung können sich nun mal nur verwirklichen, wenn sie "von unten" ausgehen.